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Positive Psychologie

Schlüsselerlebnis und Aha-Effekt

Der amerikanische Psycholge Martin Seligman, der mit zu den Begründern der Positiven Psychologie gezählt wird, erlebte Anfang der Zweitausenderjahre beim Umkrautjäten im Garten eine aufregende Erkenntnis, die er seiner kleinen Tochter zu verdanken hat. Während er diese für ihn anstrengende Arbeit möglichst rasch hinter sich bringen wollte, spielte und tanzte das Mädchen fröhlich herum, anstatt wie eine Erwachsene bei der Arbeit zu bleiben. Ziemlich ärgerlich brüllte er seine Tochter deswegen ungeduldig an, jedoch die Fünfjährige reagierte überraschend, indem sie ihm Folgendes sinngemäß mitteilte: "Papa, ich möchte mit Dir reden. Weißt Du noch, da war doch der Tag vor meinem fünften Geburtstag! In der Zeit davor, als ich drei bis fünf Jahre alt war, da war ich eine richtige Heulsuse, da hebe ich jeden Tag wegen irgendwas geweint. Als ich fünf Jahre wurde, da entschied ich mich dafür nicht mehr zu weinen. Das war wirklich das Schwierigst, was ich jemals zu stande gebracht habe. Und wenn ich aufhören kann zu heulen und zu weinen, dann kannst Du auch mal aufhören zu schreien, zu brüllen und zu schimpfen!" Das brachte den Psychologen zum Nachdenken über sich selbst und über die Themenbereiche der Psychologie.

Die traditionellen Themen der Psychologie

Nach Seligman (Positive psychology, positive prevention, and positive therapy, 2002) hatte sich die amerikanische Psychologie vor dem 2. Weltkrieg mit 3 großen Zielen beschäftigt und diese erforscht:

  1. Heilung von psychischen Krankheiten
  2. Empfehlungen für ein produktives und erfülltes Leben
  3. Entdeckung und Förderung von Hochbegabung

Aufgrund der Notwenigkeit, die negativen psychischen Folgen der Kriegseinsätze im 2. Weltkrieg, die insbesonder bei den Veteranen vorzufinden und zu behandeln waren, befasste man sich lange Zeit mit Themenbereichen rund um therapeutisches Vorgehen. 1998 wurde Seligman zum zum Präsidenten der American Psychological Association (APA) gewählt und er setzt sich seitdem dafür ein, dass sich die Psychologie wieder mehr mit all dem beschäftigt, was Menschen dazu bringt, eine produktives und erfülltes Leben zu führen. Dadurch entstand dann die unter diesem Begriff bekannt gewordene Positive Psycholgie.

Neuausrichtung auf menschliche Stärken und Tugenden

Das übergeordnete Ziel der Positiven Psychologie ist, unter psychologischen Gesichtspunkten all das im menschlichen Leben zu vermehren, was als positiv betrachtet und bewertet werden kann. Dazu dienen verschiedene Strategien:

  • Vermehrung. Hier sollen bereits vorhandene positive Aspekte und Qualitäten, wie etwa menschliche Stärken, Talente, Fähigkeiten, Tugenden und Ressourcen vermehrt werden. Dies geschieht etwa dadurch, dass Sie, wenn Sie gerne singen, einem Chor beitreten.
  • Schaffung: Hier sollen neue positive Aspekte und Qualitäten entwickelt werden, wie etwa bessere Lebensbedingungen, mehr Gerechtigkeit oder Gleichberechigung. Manchmal können Sie dadurch, dass Sie sich einen besser bezahlten Arbeitsplatz suchen oder sich fortbilden, neue interessante Wege einschlagen.
  • Minderung: Hier soll das sogenannte Negative vermindert werden, etwa indem man Menschen dazu anregt, auch die positiven Gesichtspunkte einer Situation zu erkennen, die sie als negativ erleben und bewerten. Eine schmerzhafte Trennung von einem Menschen, der Sie auf Dauer nicht respektiert, kann für Sie auch eine Entlastung darstellen.
  • Verhinderung: Hier soll dafür gesorgt werden, dass nichts Neues entsteht, das als negativ erlebt und bewertet werden kann, etwa indem man Krankheiten vorbeugt. Wenn Sie sich angewöhnen, sich täglich mindestens eine Stunde an der frischen Luft zu bewegen, dann wirkt sich das positiv auf Ihre Fitness aus.

Insgesamt jedoch möchte ich hier darauf hinweisen, dass die Positive Psychologie Ihnen nicht vorschreiben will, wie Sie leben sollen. Es geht ihr darum, Menschen Erfahrungswerte, wissenschaftliche Erkenntnisse und Anregungen anzubieten, die ihnen helfen können, das Wohlbefinden in ihrem Leben zu steigern.

Der Einsatz menschlicher Stärken

Die Psychologen Seligmann und Peterson (Positve clinical psychology, 2003) entwickelten eine erste Übersicht über das, was menschliche Stärken charakterisiert.

  1. Eine menschliche Stärke besitzt eine gewisse Stabilität über die Zeit und über Situationen hinweg
  2. Eine menschliche Stärke wird gefeiert, wenn sie vorhanden ist, fehlt sie, dann wird sie beklagt
  3. Eltern versuchen, menschliche Stärken ihren Kindern zu vermitteln
  4. In größeren Gesellschaften gibt es Institutionen und Einrichtungen, um menschliche Stärken zu kultivieren
  5. Für menschliche Stärken sind entsprechende Rollenmodelle vorhanden
  6. Es gibt Ausnahmeerscheinigungen, etwa Kinder, die in Hinsicht auf eine bestimmte menschliche Stärke ungewöhnlich weit entwickelt sind
  7. In allen größeren Kulturen werden diese menschlichen Stärken anerkannt und gewürdigt

Tugenden und Charakterstärken

Menschliche Charakterstärken zeigen Wege, wie Tugenden jeweils konkret in die Tat umgesetzt werden. Hier soll erst einmal eine Übersicht präsentiert werden, wie sie von der Positiven Psychologie verwendet wird.

  1. Tugend Weisheit und Wissen: Kreativität, Neugier, Urteilsvermögen, kritisches Denken, Liebe zum Lernen, Weitsicht/Tiefsinn
  2. Tugend Mut: Ausdauer, Fleiß, Ehrlichket, Tatendrang
  3. Tugend Menschlichkeit: Bindungsfähigkeit, Freundlichkeit, Soziale Intelligenz
  4. Tugend Gerechtigkeit: Teamfähigkeit/Loyalität, Fairness/Gleichheit, Führungsvermögen
  5. Tugend Mäßigung: Vergebungsbereitschaft, Bescheidenheit, Umsicht/Diskretion, Selbstregulation
  6. Tugend Transzendenz: Sinn für das Schöne/Exzellente, Dankbarkeit, Hoffnung, Humor/Verspieltheit, Spiritualität

Jede dieser Charakterstärken kann durch entsprechende Übung trainiert werden.

 

Bei Interesse lesen Sie gerne eines meiner Bücher oder probieren Sie eine auf meiner Website dargestellte Kreativitäts-Technik aus. Viel Vergnügen!

 

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